Ist es dir auch schon aufgefallen, dass sich das kanarische Spanisch anders anhört als auf dem Festland? Da hast du gut aufgepasst, denn es gibt tatsächlich Unterschiede zum klassischen Spanisch, dem sogenannten „Castellano“.
Aufgrund ihrer geografischen Lage waren die Kanarischen Inseln schon immer ein strategischer Verbindungspunkt zwischen Europa, Afrika und Lateinamerika. Aus diesem Grund sind die kanarische Lebensweise und der kanarische Dialekt das Ergebnis der Kreuzung vieler Kulturen. In diesem Artikel geht Marina, eine waschechte Kanarierin und Gründerin der Online-Sprachschule „Lengua de Babel“, auf die Besonderheiten dieses Dialekts, seinen Ursprung und die Charakteristika ein, die ihn so besonders machen.
Der kanarische Dialekt: Allgemeines und ein wenig Geschichte
Seit der Ankunft der ersten Ureinwohner aus Afrika bis zum heutigen Tag waren und sind die Kanarischen Inseln für viele Menschen der Ort, an dem sie sich für längere Zeit aufhalten oder leben. Deshalb gibt es viele Einflüsse in unserer kanarischen Art zu sprechen:
- Ureinwohner (auch wenn man es kaum glauben mag, einige Wörter der Guanchen sind noch erhalten)
- einige Teile Spaniens wie Andalusien oder Galizien
- andere Länder wie Portugal, England oder Irland
Aber wenn es einen Ort gibt, der seit der Eroberung durch die spanischen Katholischen Könige (15. Jahrhundert) in ständigem Kontakt mit den Kanarischen Inseln steht, dann ist es Lateinamerika, insbesondere Kuba und Venezuela. Aus diesem Grund ist unser Akzent dem der lateinamerikanischen Länder ähnlicher als dem des übrigen Spaniens. Wenn du diesen Akzent kennst, kannst du die mehr als 60 Millionen spanischsprachigen Einwohner:innen Amerikas besser verstehen.
Besonderheit Nr. 1: Der “seseo”
Anders als auf dem spanischen Festland, unterscheiden wir im kanarischen Dialekt nicht zwischen „Z“, „C“ und „S“. Wir sprechen alle diese Buchstaben als „S“ aus. Das nennt sich “seseo”.
Zum Beispiel klingt das Wort taza (Tasse) genauso wie tasa (Rate). Oder das Wort caza ( Jagd) wird genauso ausgesprochen wie casa (Haus). Cine (Kino) wird als „sine“ vokalisiert. Wenn man darüber nachdenkt, ist es für jemanden, der Spanisch lernt, einfacher zu lernen.
Besonderheit Nr. 2: G und J
Das „J“ und das „G“ werden im kanarischen Dialekt weicher ausgesprochen als im übrigen Spanien, insbesondere in der nördlichen Hälfte der Halbinsel. Es ist ein ähnlicher Klang wie das „h“ im Deutschen Wort „haben“ (/h/). Daher klingen Wörter wie rojo (rot), gente (Menschen) oder jamón (Schinken), die ein Canario ausspricht, anders als beispielsweise die eines Basken oder Madrilenen, so heißen die Menschen aus Madrid.
Dies ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum der kanarische Akzent als melodiös bezeichnet wird.
Besonderheit Nr. 3: Die Verniedlichungen
Es wird oft gesagt, dass wir Kanarier einen liebevollen Charakter haben und ich denke, dass dies im Allgemeinen stimmt. Ich denke auch, dass diese Wahrnehmung durch die Tatsache beeinflusst wird, dass wir im täglichen Leben sehr oft den Diminutiv verwenden, also die Verniedlichung von Wörtern.
Wenn du Spanisch gelernt hast, wird dir erklärt worden sein, dass der Diminutiv verwendet wird, um anzuzeigen, dass etwas klein oder von geringer Bedeutung ist. Es wird auch verwendet, um Zuneigung oder Zärtlichkeit auszudrücken. Im Spanischen gibt es viele Diminutive (-iño, -ino, -illo, -ico, -ito…) und ihre Verwendung hängt davon ab, wo du dich im Land befindest. Die Verkleinerungsform von casa kann zum Beispiel sein: casiña, casina, casilla, casica oder casita.
Auf den Kanarischen Inseln verwenden wir im täglichen Leben sehr oft die Verkleinerungsform -ito/-ita, was für viele Menschen seltsam ist. Es scheint ihnen, dass wir sehr süß sind, wenn wir sprechen, und sie haben recht!
Besonderheit Nr. 4: Das gehauchte S
Wir verkürzen im kanarischen Dialekt auch den Buchstaben „S“ am Wortende. Wir sprechen ihn aus, aber wir vokalisieren nicht den ganzen Buchstaben, sondern nur einen Teil davon. Dies wird als aspiriertes S bezeichnet und auch hier sprechen wir es so aus, als ob anstelle eines „S“ ein deutsches „h“ am Wortende stehen würde.
Das „S“ in Wörtern wie „antes“, „lejos“, „jamás“ oder den Pluralen „flores“, „mesas“, klingt kürzer als im übrigen Spanien. Diese Regel gilt nicht für die Insel El Hierro, wo das „S“ länger ausgesprochen wird als auf den übrigen Kanarischen Inseln.
Besonderheit Nr. 5: Abwesenheit von “vosotros”
Genau wie in Amerika und in einigen Teilen Andalusiens verwenden wir nicht „vosotros“ (2. Person Plural), sondern immer und unter allen Umständen „ustedes“, egal ob der Kontext formell oder informell ist (mit der Familie, Freunden…). Anstatt also zu sagen „Vosotros sois muy simpáticos“, sagen wir „Ustedes son muy simpáticos“ (Ihr seid sehr sympathisch).
Diese Besonderheit stiftet manchmal Verwirrung bei Leuten, die unsere Art zu sprechen nicht kennen, weil sie denken, dass wir zu förmlich sind, wenn wir „ustedes“ sagen. Doch nichts könnte weiter vom kanarischen Charakter entfernt sein! Eine Ausnahme bilden die Insel Gomera und einige abgelegene Teile der Insel La Palma, wo man zwischen „ustedes“ und „vosotros“ unterscheidet.
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Besonderheit Nr. 6: Kanarismus
Wie du nun weißt, sind die Kanarischen Inseln schon immer ein Durchgangsort für viele Menschen und Kulturen gewesen. Das hat dazu geführt, dass unser Wortschatz reich und vielfältig ist. Daher setzt sich unser kanarischer Dialekt unter anderem aus Guanchismus, Lusismos und Anglizismen zusammen.
Guanchismos, das sind Wörter, die aus den Sprachen der Ureinwohner stammen und durch mündliche Überlieferung weitergegeben wurden. Viele beziehen sich auf Orte (Teide, Tenerife, Hermigua, Taganana, Timanfaya, Tuineje, Agüimes, Tiscamanita, Artenara, Guayadeque, Telde…), aber auch allgemeine Wörter sind erhalten geblieben, wie z. B.:
- Gofio: Mehl aus geröstetem und gemahlenem Getreide, das wir Kanarier für praktisch alle Arten von Gerichten und Nachspeisen verwenden.
- Baifo: Die Nachkommenschaft der Ziege. Wir nennen sie auch cabrito.
- Tajinaste: Kegelförmiger Strauch, dessen Blüten ihn vollständig bedecken. Es gibt viele Arten auf den Kanarischen Inseln, rote, weiße, blaue und blaue…
Lusismos, das sind Wörter, die aus dem Portugiesischen und Galicischen stammen, wie z. B.:
- Millo: Maiz. Im Portugiesischen und Galicischen wird es milho geschrieben, aber es klingt genauso wie im Spanischen.
- Mojo: Du kennst sie wahrscheinlich. Mojo ist eine Soße, die aus einigen Grundzutaten hergestellt wird: Öl, Essig, Knoblauch und „sal gorda“ und anderen Zutaten wie süßem und scharfem Paprika, Chilischoten, Kreuzkümmel, Koriander oder Petersilie usw., die jeder Art von Mojo den Geschmack und die besondere Farbe verleihen. Es gibt mehr als 20 Varianten vom kanarischen Mojo, hier kannst du dir zwei Rezepte nach Omas Art ansehen.
- Coruja: Eule. Im Portugiesischen und Galicischen wird es gleich geschrieben, obwohl es ein wenig anders klingt.
Anglizismen leiten sich vom Englischen ab und sind fast alle das Ergebnis dessen, was die einheimische Bevölkerung von den Engländern und Iren, die auf den Kanarischen Inseln lebten oder mit ihnen Handel trieben, hörte und zu imitieren versuchte. Es gibt viele davon, wie zum Beispiel:
- Naife: Kanarisches Messer, das handgefertigt ist. Es stammt eindeutig vom englischen „knife“ (Messer) ab.
- Queque: Dieser Begriff ist in der Provinz Las Palmas weit verbreitet und bedeutet Biskuitkuchen. Sein Ursprung liegt im Wort „Cake“ (Kuchen).
- Flis: Insektizid in Sprühform. Sein Ursprung ist, dass es verwendet wird, um die „flys“ (Fliegen)zu töten.
Aus Lateinamerika stammende Amerikanismen (einige mit Ursprung in der englischen Sprache):
- Cotufa: Mais-Popcorn. Es kommt wahrscheinlich von „corn to fry“, Mais zum Braten. Dieses Wort stammt aus Venezuela und kam von dort auf die Inseln.
- Papa: Kartoffel. Es kommt aus dem Quechua und ist das Wort, das wir auf den Kanarischen Inseln und in einigen Teilen Andalusiens verwenden.
- Guagua: Bus. Außer auf den Kanarischen Inseln wird Guagua auch auf Kuba, Puerto Rico und in der Dominikanischen Republik verwendet. Es stammt ursprünglich aus Kuba und kam von dort auf unsere Inseln. Es gibt verschiedene Theorien, die seine Herkunft erklären. Eine besagt, dass eine amerikanische Fabrik, die Busse nach Kuba exportierte, ihre Fahrzeuge mit einem Schild mit dem Namen Wa&Wa versah und die Kubaner sie als Guagua bezeichneten. Eine andere Theorie besagt, dass der Name vom englischen Wort waggon abgeleitet wurde – wer weiß!
Besonderheit Nr. 7: Kanarische Ausdrucksweisen
Wir verwenden auch idiomatische Ausdrücke, die nur auf den Kanarischen Inseln verwendet werden und die du in keinem Spanischbuch findest und die man auch nicht ableiten kann.
Zum Beispiel:
- Irse el baifo: Es bedeutet, etwas zu vergessen, sich zu verirren. Wörtlich bedeutet es, dass das Kind einer Ziege weggeht, also der Person entkommt, die sich um sie kümmert. Wahrscheinlich war zu der Zeit, als dieser Ausdruck aufkam, eine Ziege ein kostbares Gut und wenn ein baifo entkam, konnte das eine Tragödie sein.
- Fos: Wenn wir angewidert sind.
- ¡Ños! oder ¡Chos!: Überraschung!
- Chacho /chacha: Junge/Mädchen, oder vieles anderes. Je öfter man das Wort aneinanderreiht, desto stärker der Ausdruck “chaaaacho, chacho, chacho…”.
Außerdem gibt es auf jeder Insel und sogar innerhalb jeder Insel unterschiedliche Akzente und Wörter. Auf der Insel La Palma zum Beispiel ist der Akzent melodischer, manchmal scheint es, als ob sie statt zu sprechen singen. Der Akzent auf Gran Canaria ist eher kehlig, ähnlich wie auf Kuba.
Selbst wenn du recht gut Spanisch sprichst, wirst du wahrscheinlich nicht in der Lage sein, die unterschiedlichen Akzente der einzelnen Inseln zu erkennen. Keine Sorge! Selbst die Spanier:innen auf dem Festland verstehen es nicht. Wenn sie uns sprechen hören, denken sie, wir seien aus Argentinien oder Venezuela.
Auch wenn man die Besonderheiten des kanarischen Dialekts auf den einzelnen Inseln nicht unterscheiden kann, wird die Kenntnis der Sprache und der Kultur es dir ermöglichen, eine authentische Erfahrung zu machen, wenn du uns jenseits der Touristengebiete besuchst. Du wirst feststellen, dass der Charme der Kanarischen Inseln nicht nur in ihren Landschaften und Stränden liegt, sondern auch in den Menschen und den Erfahrungen, die du mit uns machen kannst.
Spanisch mit kanarischem Dialekt lernen
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Mein Ziel ist es, dass meine Schüler:innen unsere Lebensweise kennenlernen und die einheimische Bevölkerung verstehen. Die Idee ist, dass sie sich über dieselben Themen und mit derselben Selbstverständlichkeit unterhalten, wie sie es mit ihrer Familie und ihren Freunden tun, aber mit Kanariern und auf Spanisch!
Es macht mir wirklich Spaß, meine Sprache und Kultur zu teilen, deshalb biete ich auch Podcasts mit ausschließlich kanarischen Inhalten an (Kuriositäten, Gastronomie, Kultur, Natur, Traditionen, Interviews mit anderen Kanariern…).
Ich weiß, dass du dein Spanisch nicht verbessern musst, um unser Klima, unsere Strände, unsere Natur oder unsere Gastronomie zu genießen, aber wenn du uns nicht verstehst, versichere ich dir, dass du das Beste verpasst: Die Menschen und die Kultur (ich weiß, wir sprechen sehr schnell ).
¡AQUÍ TE ESPERO!